Sharon Kam und Sebastian Manz spielen beide Klarinette auf Weltniveau und sind nicht nur für ihre Konzerte, sondern auch für ihre CD-Aufnahmen sehr bekannt und beliebt. Sebastian Manz ist die Improvisation besonders wichtig, Sharon Kam hat viel Freude an der Entdeckung neuer Werke. Beide werden bei clariMondo 2023 als Dozenten dabei sein und interessierten Spieler:innen der Klarinette ihre Tipps mit auf den Weg geben.

Sebastian Manz ist ein Schüler der renommierten Klarinettistin Sabine Meyer und weltbekannt. Als Enkelsohn des Violinisten Boris Goldstein und Kind zweier Pianisten war ihm das Interesse für Musik quasi angeboren, und nach einer kurzen Zeit des Klavierspiels fokussierte er sich auf das „vielseitigste Instrument der Welt“: die Klarinette. „Es ist faszinierend, wie viele verschiedene Geräusche und Klangfarben die Klarinette beherrscht“, findet er. Diese Klangfarbe möchte er vor allem in seiner Arbeit als Solist besonders deutlich zum Ausdruck bringen. „Ich versuche mich loszulösen von der starren Wiedergabe der Noten. Natürlich muss ich dem Notentext treu bleiben, aber gerade im Bereich der Dynamik oder der Klangfarben habe ich unglaublich viel Spielraum.“ Wenn Manz von der Interpretation von Stücken spricht, sprudelt es richtiggehend aus ihm heraus. Gerade seine Interpretation und Vielseitigkeit hat ihm bereits mehrere ECHO-KLASSIK-Preise für herausragende CD-Einspielungen eingebracht. Die CD „A Bernstein Story“ beschäftigt sich beispielsweise mit Jazz, wenn auch auf eine Weise, die etwas ungewöhnlich ist – hier hat Manz mit dem Jazzmusiker Sebastian Studnitzky aufgrund der Klarinettensonate von Leonard Bernstein ein ganzes Album entwickelt, und das alles in drei bis vier Aufnahmetagen in einem New Yorker Studio. Vorher hatten sie noch nie zusammengespielt. „Ich hatte mir da eine Konzeptidee überlegt“, erinnert sich Manz, „aber bei Studnitzky bin ich damit auf Granit gestoßen. Er wollte alles während der Aufnahme entstehen lassen.“ So nahmen sie einzelne Takte aus der Klarinettensonate, loopten diese und improvisierten darüber. Das Entstandene wurde dann noch zum Teil am PC verfremdet, so entstand ein komplett neues Werk. „Das Faszinierende daran war, dass sich Klassik und Jazz treffen und miteinander verschmelzen,  genau wie analog und digital miteinander verschmelzen“, erklärt er.

Orchester oder Solokarriere? Ganz einfach: Beides

Schon während seines Klarinettenstudiums in Lübeck bei Sabine Meyer war Manz als Solist unterwegs, den „großen Durchbruch“ schaffte er dann 2008, als er beim Internationalen Musikwettbewerb der ARD den ersten Preis und vier weitere Sonderpreise gewann. „Schon davor habe ich sehr viel solistisch gearbeitet, danach hat sich aber alles verändert“, erinnert sich Manz lächelnd. „Ich war erst mal überfordert, weil ich so viele Anfragen bekam!“ Einen Monat später, beim Preisträgerkonzert mit dem damaligen RSO Stuttgart des SWR wurde er gefragt, ob er nicht auch im Orchester aushelfen wolle. Eins kam zum anderen, und nun ist Manz nicht nur Solo-Klarinettist des SWR Symphonieorchesters, sondern spielt auch im Orchester mit. „Ich finde es sehr bereichernd, in beiden Bereichen zu arbeiten“, sagt er. Er hatte außerdem auch überlegt, eine Professur anzustreben, wollte aber seine Stelle beim Orchester nicht aufgeben und ist stattdessen Dozent. „Ich finde es immer wieder toll, junge Menschen zu inspirieren und anzuregen, die Noten zu hinterfragen. Was ist damit gemeint, wenn da ‚piano‘ steht? Geht es um die Lautstärke oder manchmal auch eher um die Klangfarbe?“, schwärmt er. Im Moment plant er ein Großprojekt fürs nächste Jahr: Er möchte Stationen seines Lebens in eigenen Arrangements mit befreundeten Musiker:innen aufnehmen und diese während des Jahres veröffentlichen sowie am Ende daraus eine Doppel-CD gestalten. „Das wird mich noch einige Jahre begleiten“, vermutet er. „Ich möchte daraus auch ein Konzertprogramm entwickeln.“ Wie immer möchte er den Spagat zwischen klassischem Repertoire und experimentellen Stücken schaffen. „Auch wenn ich genreübergreifend arbeite, möchte ich doch auch ernst genommen werden“, betont er. „Ich werde mich so perfekt vorbereiten, dass ich am Ende nichts bereue.“

Nicht nur musikalisch um die ganze Welt

Sharon Kam hat, wie auch Sebastian Manz, bereits zahlreiche CDs veröffentlicht. In ihrer beinahe 30-jährigen Karriere hatte sie bereits die Gelegenheit, auf der ganzen Welt aufzutreten. Gebürtig aus Israel, zog sie schon als Kind nach Amerika und studierte in New York. Dabei durfte sie bereits mit 16 Jahren unter Zubin Mehta beim Israel Philharmonic Orchestra ihr Debüt als Solistin geben. „Ich war eben schon immer recht früh dran“, lacht sie. „Da habe ich erst neulich drüber nachgedacht: Mit 22 Jahren habe ich schon meinen ersten Wettbewerb gewonnen, und seitdem habe ich eine internationale Karriere. Das ist eine unglaublich lange Zeit.“ Zubin Mehta hatte sie als Solistin ausgewählt, weil sie in Israel bei einem System, das ‚Jugend musiziert‘ ähnelt, gewann. Diese Jugendlichen durften, sofern Mehta sie für geeignet hielt, gemeinsam mit dem Israel Philharmonic Orchestra Konzerte spielen, nicht nur im Land, sondern auch international. Für Kam war das die Chance. „Er fand mich toll, weil ich Klarinette spielte und nicht Klavier oder Cello“, denkt Kam darüber. „Und dann wurde ich überall hin mitgenommen. Das war einfach toll!“ Auch selbst tritt sie international auf, selbst wenn das Ausmaß abgenommen hat. „Früher bin ich zwischen verschiedenen Kontinenten hin- und hergeflogen, mittlerweile gehe ich es etwas ruhiger an und gebe Konzerte auf einem Kontinent nach dem anderen“, erklärt Kam lächelnd. „Es muss nicht mehr alles auf einmal sein.“ Diese Einstellung zieht sich auch durch ihr musikalisches Schaffen. Früher veröffentlichte sie eine CD jedes oder jedes zweite Jahr. Wenn sie nun noch eine CD veröffentlichen möchte, dann aus einem ganz bestimmten Grund. „Wenn ich etwas Neues zu sagen habe, dann nehme ich auch etwas Neues auf. Es muss aber kein Selbstzweck sein.“ Das bedeutet in Kams Fall, dass sie nur ganz bestimmte Sachen neu aufnimmt, oder auch, dass sie ein neues Werk entdeckt hat – oder ein ganz altes. So schwärmt sie von der Entdeckung eines Klarinettenkonzerts von Julius Rietz, der einen Katalog der Werke von Mendelssohn-Bartholdy anlegte, dessen eigene Werke jedoch in einem Brand zum Großteil vernichtet wurden. „Da ist ein Erstdruck dieses Konzerts aufgetaucht, und ich war völlig überrascht“, beschreibt Kam. „Das ist richtige Romantik! Und niemand hat es bisher eingespielt!“ Eine ihrer liebsten Aufnahmen ist die CD „American Classics“, bei der sie sich die Werke und das Orchester selbst aussuchen durfte. „Ich habe dafür ein ganzes Jahr geübt“, erinnert sich Kam. „Aber es war richtig toll, dass mir das ermöglicht wurde. Die CD hat sich so gut verkauft, dass sie mir auch international richtig Schwung gegeben hat.“ Außerdem macht Kam gerne Uraufführungen von Werken von Komponisten, die sie auch persönlich kennt. Welche Genres oder Stile sie besonders schätzt, verändert sich bei Kam von Jahr zu Jahr, stellt sie fest. „Ich entwickle immer wieder neue Faszinationen, denen ich dann nachgehen möchte. Was ich immer sehr gerne gespielt habe, ist das Klarinettenkonzert von Aaron Copland – das ist quasi mein Markenzeichen“, fügt sie lächelnd hinzu. Seit Oktober 2022 hat Kam in Hannover eine halbe Professur inne. Die Arbeit mit den Studierenden gefällt ihr ganz besonders, da sie ganz anders ist als in einem Meisterkurs. „In einem Meisterkurs bin ich die Heldin, die vorbeikommt, die Studenten inspiriert und zaubern darf. Aber als Professorin muss ich wesentlich mehr hinterher sein, manchmal auch erzieherisch, und auch psychologischen Beistand leisten“, erklärt Kam. „Das gefällt mir sehr gut.“

Monika Müller