„Nach der Krise ist vor der Krise“ – so möchte manch Vereinsverantwortlicher angesichts gerade überstandener und sich neu anbahnender Erschwernisse seiner Arbeit denken. Dass in jeder Krise aber immer auch die Chance zur Neuorientierung steckt und jeder Verein das Zeug zum „Zukunfts-Musikverein“ hat – das hat jüngst der Musikverein Affalterbach bei einer intensiven, mit frischen Ideen und modernen, passgenauen Methoden aufwartenden „Zukunftswerkstatt“ mit Coach Michael Schönstein in der BDB Akademie in Staufen erfahren.

So vielfältig die Kulturvereine, so vielfältig sind ihre Gründe, die sie dazu bewegen, ein Vereins- und Vorstandscoaching in Anspruch zu nehmen. „Die Corona-Pandemie hat unsere Nachwuchsarbeit fast zum Erliegen gebracht“ – „Der Verein von früher funktioniert nicht mehr“ – „Wir verlieren zunehmend an Mitgliedern und Unterstützung, was sich auch im Probenbesuch niederschlägt“ – so und ähnlich lauten die Notrufe, die aktuell aus den Reihen von Musikvereinen zu hören sind. Was alle Stimmen dabei eint, ist die Erkenntnis, dass nur in einer professionellen Weiterbildung von oftmals jungen, zwar motivierten, aber unerfahrenen Vereinsverantwortlichen zu Themen wie Mitgliedergewinnung, Vereinsfinanzierung, Motivation und effizienter Vorstandsarbeit die Chance liegt, den eigenen Verein zu stärken und in die Zukunft zu führen. Eine Erkenntnis, die auch den Musikverein Affalterbach (BVBW) dazu bewog, sich in einem intensiven eintägigen Workshop an der BDB Akademie Staufen tragfähige Zukunftsperspektiven mittels neuer Teamtechniken und innovativer Denkmodelle zu erarbeiten.

„Als junger Verein von gerade mal 30 plus zwei Jahren können wir nicht auf eine eingewurzelte Tradition und Bindung in unserer Heimatgemeinde bauen. Zudem haben wir noch mitten in der Krise einen kompletten Austausch unserer Vereinsführung durchschritten“

, berichtet Vorsitzende Mona Wiesinger. Der Wechsel habe zwar eine deutliche Verjüngung der Vorstandsriege mit sich gebracht und der Wille, die bestehenden Herausforderungen anzupacken, sei entsprechend hoch – dennoch habe der Führungswechsel zu einer tendenziellen Entfremdung zwischen dem Verein und alteingesessenen Mitgliedern geführt, bedauert Wiesinger. Die neue Vereinsführung brauche eine bessere Koordination und eine klare Verteilung der Rollen und Aufgaben; eine stärkere Sichtbarkeit durch Webauftritt und Social Media stehe auch auf der Agenda. Wie bei vielen Vereinen sieht man auch in Affalterbach mit Sorge, dass der Proben- und Veranstaltungsbesuch schwächelt und die Corona-Pandemie die musikalische Nachwuchsarbeit und die gemeinsame Unterstützung des Vereins durch Mitglieder und Öffentlichkeit ausgebremst hat. Weiter berichtet Monika Wiesinger:

„Wir wünschen uns zum Beispiel eine verstärkte Zusammenarbeit mit Schulen, vor allem mit den Eltern von Kindern, die sich für eine Ausbildung bei uns interessieren, um unsere Jugendarbeit wieder anzukurbeln. Zugleich wollen wir unseren Verein als ‚Heimat‘ für uns selbst, aber auch für ältere Ein- und Wiedereinsteiger wieder attraktiv machen und die Bindung zu ihm stärken, vor allem durch ein aktiveres Vereinsleben. „Dazu brauchen wir aber, gerade in dieser Zeit des Umbruchs, eine Standortbestimmung, eine klare Identifizierung dessen, was uns als Verein ausmacht, wo wir ansetzen können und was unsere neue Führungsriege an Kompetenzen braucht, um den Musikverein Affalterbach wirklich fit für die Zukunft zu machen.“

In den richtigen Fragen stecken die richtigen Antworten

Da auch Themen wie Sponsoring und Social Media zum „Wunschkonzert“ des Vereins gehören, hatte er sich im vergangenen Jahr beim online Fortbildungsprogramm „ZukunftVerein“ (www.bdb-akademie.com/zukunftverein) der BDB Akademie angemeldet, das Michael Schönstein, Projektleiter und Bundesmedienreferent des BDB, im Sommer 2021 aus der Taufe gehoben hat. Das Programm, das vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst gefördert wird, bietet in einem „Dreiklang“ von eLearning, live Online-Seminaren und Praxistrainings aktuelles Vereinswissen an. Als praxisorientiertes Projekt schafft es Vereinsverantwortlichen die Möglichkeit, neben beruflichen und familiären Verpflichtungen zu drängenden Fragen rund um das Vereinsleben professionelle Antworten zu finden und sich in allen vereinsrelevanten Aufgaben zu üben. Dirigent und Marketingexperte Michael Schönstein verbindet persönliche Erfahrung mit beruflicher Expertise – die aktuellen Nöte und Bedürfnisse der Kulturvereine kann er nicht nur nachvollziehen, sondern vermag als erfahrener Coach Vereinen moderne Konzepte zu verschiedenen Themen an die Hand zu geben, die ihnen dabei helfen, aktuelle Probleme anzugehen und eine zeitgemäße Vereinsführung zu entwickeln.

„Zentraler Gedanke bei der ZukunftsWerkstatt ist, dass die Teilnehmenden zunächst eine sachliche Analyse der Ist-Situation ihres Vereins vornehmen und daraus eine geschärfte und vor allem realistische Wahrnehmung ihrer Ziele entwickeln – vor allem derer, die für ihren Verein wirklich relevant sind“

, erklärt Schönstein, der im vergangenen November 2022 mit dem viel beachteten „ZukunftsDialog“ im Kurhaus Bad Krozingen zum Thema „Moderne Vereinsfinanzierung“ renommierte Experten aus den Bereichen Controlling, Kulturmanagement und Sponsoring mit Vertretern verschiedenster Kulturvereine zusammenbrachte. „Erst ein solches strategisches Vorgehen erlaubt, wirklich passgenaue und erfolgversprechende Maßnahmen zu entwickeln, die der Verein aus eigener  Kraft umsetzen kann“, erläutert der Coach, der zusammenfasst: „Die richtigen Fragen zu stellen, heißt, die richtigen Antworten zu finden.“ Das hat auch Mona Wiesinger festgestellt:

„Allein das Ausfüllen der gezielten Fragen des Briefings hat uns im Vorfeld schon mehr Klarheit über die wirklich drängenden Aufgaben gegeben.“

Zusätzliche Motivation für sie, Ende Januar im Kreise ihres achtköpfigen Vorstandsteams die fast dreistündige Reise nach Staufen in die BDB Akademie zur „Zukunftswerkstatt“ anzutreten. Nach einem eröffnenden Abgleich der wechselseitigen Erwartungen der Teilnehmenden an den Workshop folgte als „Warm-up“ ein erster Versuch, die wesentlichen Ziele des Vereins annähernd zu identifizieren und vor allem einzugrenzen, um daraus ein strategisches Konzept zu entwickeln. Vier übergeordnete Ziele wurden gesetzt: Unter den Stichworten „Musik“, „Ausbildung“, „Gemeinschaft“ und „Sichtbarkeit“ wurden konkrete Wünsche des Vereins wie „besserer Probenbesuch“, „Entwicklung einer Bläserklasse/neue Azubis“ notiert, dieses Mal aber versehen mit konkreten Zahlen und vor allem – zeitlichen Daten: „Ziele und die zu ihrer Erreichung infrage kommenden Maßnahmen mit realistischen Zahlen und Daten zu versehen, schafft eine Konkretisierung und vor allem eine Verbindlichkeit, die unabdingbar ist für die motivierte Umsetzung und den Erfolg der Maßnahmen, die die Teilnehmenden in der Zukunftswerkstatt entwickeln“, betont Schönstein, der in einem nächsten Schritt die Vereinsvertreter dazu anregte, erste Ideen zur Umsetzung der vier Hauptziele zu sammeln. Im Wechsel von Brainstorming und Tipps vonseiten des Workshop-Leiters wurde etwa zu den Punkten „Neue Azubis gewinnen“ und „Bessere Probenbesuche“ eine Fülle von Ideen zusammengetragen, unter denen neben naheliegenden Schritten wie „Kontakt zu Grundschule aufbauen“, „Instrumentenzirkel“ und „Repertoire erneuern“ vonseiten des Coaches auch moderne Hilfsmittel wie der Einsatz von Termin- und Probenplan-Apps und auch eine „Musiker-Urkunde“ für potenzielle Azubis aufgeführt wurden: Eingesetzt etwa bei einem Instrumentenkarussell oder Info-Tag bescheinigt die altersgerecht wie humorvoll gestaltete „Urkunde“ interessierten Kindern und Jugendlichen mit „Brief und Siegel“ die Fähigkeit zum Jungmusiker – was „großartig bei den Kids ankommt“, wie Dirigent und Familienvater Schönstein weiß.

Die Zukunft in die Gegenwart holen

Das intensive gemeinsame Arbeiten machte den Teilnehmenden aber auch gleichzeitig klar, dass nicht alle „Ziele“ gleich relevant sind – eine zentrale Erkenntnis, gilt es doch, Ressourcen klug zu nutzen und abzuschätzen, in welche Maßnahmen man investiert: War zu Beginn der Punkt „500 Follower auf Facebook, Instagram und Co.“ ein geäußertes Ziel, verlor dieses im Vergleich zu den im Verlauf des Workshops als für den Verein in seiner speziellen Situation als eigentlich relevant identifizierten Zielen an Gewicht. Hierbei wirkte vor allem die von Coach Michael Schönstein vorgestellte MOPO-Technik, die die stete Überprüfung und Abstimmung von Motivation, Zielen („objective“), zur Erreichung dieser notwendigen Maßnahmen („procedure“) und vor allem die Messbarkeit des Erfolgs anhand bestimmter Ergebnisse ermöglicht – wichtig für Standortbestimmungen und Kurskorrekturen, die jede Führungsriege zur Steuerung ihres „Vereinsschiffes“ benötigt. Im Verein mit einer grundlegenden Klärung der Vorstandsstrukturen, um eine effizientere Aufgabenteilung und damit besseren „Workflow“ im Team zu erreichen, wurde dem jungen Vorstand des Musikvereins Affalterbach damit ein wirksames und bei jeder Zusammenkunft einzusetzendes Tool an die Hand gegeben. Bei allem strategischen Vorgehen rauchen jedoch in der „Zukunftswerkstatt“ nicht nur die Köpfe – auch Motivation und Spaß kommen zum Zug. „Wichtig bei der Standortanalyse des Vereins ist, sich nicht allein auf das Fehlende oder auf Probleme zu fixieren“, wie Coach Michael Schönstein betont: „Die Teilnehmenden sehen dadurch, was auch schon gut bei ihnen läuft und wo man direkt ansetzen kann. Vielen Vereinen ist vor lauter Problembewältigung zu Beginn gar nicht klar, was sie auszeichnet und welche Stärken sie haben. Diese Erkenntnis allein vermittelt Optimismus und den Mut, das ‚Pro‘ im Problem zu sehen und in neue Ideen und Konzepte umzusetzen.“ Wie viel Motivationskraft in diesem „Nach  vorne“-blicken steckt, wurde den Affalterbachern beim Einsatz der „Wunderfrage“ deutlich: Die Teilnehmenden befragten eine imaginäre „Glaskugel“,wie es sich im Jahr 2026 anfühlt, als Musiker, als förderndes Mitglied oder Konzertbesucher Teil des Musikvereins Affalterbach zu sein. Das Hereinholen der Zukunft in die Gegenwart schärfte zusätzlich den Blick für die anstehenden Ziele und die darauf zugeschnittenen Maßnahmen, löste bei den Teilnehmenden aber auch spürbare Freude über die neu gewonnenen Einsichten und nahe gerückten Chancen für ihren Verein aus. Freude und Optimismus prägen entsprechend auch das Fazit des Vorstands des Musikvereins Afffalterbach über die „Zukunftswerkstatt“ in der BDB Akademie: „Ein Superangebot, quasi maßgeschneidert und eine echte Bereicherung“, fasst Mona Wiesinger zusammen, „die Arbeit mit Michael Schönstein hat unser Selbstbewusstsein gestärkt und uns Wege aufgezeigt.“ Ausgestattet mit einer Fülle neuer Ideen und Konzepte, die noch um reichhaltige, zusätzliche Informationen, Tools und Vorlagen bietende Teilnehmerunterlagen ergänzt wurde, trat der Vorstand des Musikvereins Affalterbach gestärkt die Reise an – in die Heimat und in eine gute Zukunft.

(Autorin: Edda Güntert)