In den 13 Vereinen im Bezirk VII des Blasmusikverbands Hochrhein bot sich noch im Januar überall das gleiche Bild: nach zwei Jahren „Berufsverbot“, stieg die Motivation, wuchsen Ungeduld und Vorfreude darauf, bald wieder gemeinsam musizieren zu können. Die Projektidee von Bezirksdirigent Klaus Siebold kam da genau zum richtigen Zeitpunkt. Mit einem Ensemble-Workshop schüttelten 48 Musikerinnen und Musiker aus den 13 Vereinen die Corona-Lethargie ab und legten einen fulminanten Neustart hin.

Das Amt des Bezirksdirigenten war für Klaus Siebold zwar neu, die Idee indes war es keineswegs. „Die Idee zu einem Ensemble-Workshop mit Soirée-Konzert hatte ich schon vor zwei Jahren. Realisiert haben wir damals aber stattdessen einen Flashmob für die Jugend“, berichtet Siebold. Aufgeschoben, ist nicht aufgehoben. Erst recht dann nicht, wenn hinter der Idee eine echte Überzeugung steht. Und die hat Siebold. Dem frischgebackenen Bezirksdirigenten, der sein Amt kommissarisch von Peter Fräßle übernommen hat, liegt das Ensemblespiel sehr am Herzen. Aus seiner Arbeit als Instrumentallehrer an zwei Musikschulen weiß er, wie wertvoll das Ensemblespiel ist. Dort gehören Vorspiele zum Musikschulalltag. „Für unsere Kinder und Jugendlichen ist es total normal, regelmäßig einzeln oder im Ensemble vorzuspielen. Das gilt für Vereinsmusiker nicht unbedingt“. Obwohl „es die Freude am Musizieren, die Motivation und die Qualität eines Orchesters enorm erhöht“, wie er betont. Mehr noch: „Das Ensemblespiel entwickelt das Aufeinanderhören und neue Techniken, die das Zusammenspiel befördern“, führt Siebold aus. Außerdem können die Musikerinnen und Musiker dabei „eine neue Klangvielfalt entdecken“.

Als Profimusiker und Bezirksdirigent sieht er sich deshalb in der Pflicht, den Amateurmusikern in den Vereinen ein entsprechendes Angebot zu machen. Nur wenige Wochen nach seinem Amtsantritt berief er deshalb eine Online-Sitzung mit Vertretern der 13 Vereine ein, um sich ein Bild von ihrer Situation zu machen und seine Projektidee vorzuschlagen. Und im Januar war die Situation in den Vereinen im Grunde überall die gleiche. „Die Vereine konnten nicht wirklich aktiv sein. Der Probenbetrieb war entweder ganz oder halb eingestellt“, erfuhr er bei der Sitzung, „je nachdem wie sie die Abstandregeln im Probelokal einhalten oder auf größere Räumlichkeiten ausweichen konnten“. Von Lethargie und Lähmung war unter den Vereinsverantwortlichen dennoch keine Spur. Stattdessen war die Stimmung geprägt von Motivation und Vorfreude, bald wieder gemeinsam im Orchester musizieren zu können. Die Projektidee „Ensemble-Workshop mit anschließendem Soirée-Konzert“ von Bezirksdirigent Klaus Siebold fiel deshalb auf fruchtbaren Boden. Direkt in dieser ersten Online-Sitzung wurden Nägel mit Köpfen gemacht, Termin und Veranstaltungsort festgezurrt, Coaches bestimmt und das Konzept detailliert ausgearbeitet. „Wir haben nicht lange geplant. Das war eine schnelle Sache“, erinnert sich Siebold. Denn schon wenig später legte das Organisationsteam los, fragte die Veranstaltungsorte an und verschickte die Anmeldeformulare. Die Resonanz war in beiden Fällen überaus positiv. Die Gemeinde Herrischried mit ihrem Bürgermeister Christian Dröse stellte sowohl die Halle als auch die Schule kostenlos zur Verfügung und auch die Pfarrei mit Pfarrer Bernhard Stahlberger öffnete bereitwillig die Pforten der Pfarrkirche St. Zeno für das Soirée-Konzert. „Das ist genau die Unterstützung, die es braucht“, freut sich Klaus Siebold. Auch für den Workshop selbst und das Konzert fanden sich mit Unterstützer und Helfer.  So packten der Bezirksvorsitzenden Peter Matt von der Trachtenkapelle Hogschür, Marzin Schmidt von der Trachtenkapelle Herrischried und Katrin Thoma von der Stadtmusik Laufenburg und Nicole Maier vom MV Oberhof tatkräftig mit an.

Sehen lassen konnten sich auch schnell die Anmeldungen. 48 Musikerinnen und Musiker aus 13 Vereinen meldeten sich an. Wie vom Veranstalter intendiert waren feststehende Ensembles, Teilensembles und Einzelpersonen, auch bezirksübergreifend, aus den Vereinen vertreten. Die Teilensembles, bei denen einzelnen Stimmen fehlen, wurden von den Coaches aus dem Pool der Anmeldungen komplettiert und die Einzelpersonen zu Ensembles zusammengefasst. An einem Sonntag Ende März war es dann soweit. Auf 9 Uhr trafen die 48 Musikerinnen und Musiker aus den umliegenden Gemeinden in Herrischried ein und verteilten sich nach einem gemeinsamen Warm-up in sieben Ensembles auf die Unterrichtsräume der Gemeinschaftsschule Herrischried. Mit dabei waren fünf Blechbläser und eine junge Schlagzeugerin vom Musikverein Oberhof, ein Saxophonquintett mit Aktiven aus den Musikvereinen Murg, Oberhof und Niederhof, das gemischte Ensemble des Blasorchesters Albbruck, 4 Klarinettisten des Musikvereins Willaringen und MV Oberhof, das Posaunenquartett Hotzenwald, fünf Bläser des Musikvereins Niederhof sowie ein zwölfköpfiges Ensemble aus Aktiven der Trachtenkapellen Altenschwand und Herrischried sowie dem Musikverein Niederhof. Für jedes Ensemble hatten die Coaches ein Repertoire aus fünf Musikstücken parat, aus dem ausgewählt werden konnte. Zum Teil brachten die Musiker:innen aber auch selbstständig Stücke mit. Ohnehin war die Selbstständigkeit Teil des Konzepts. Um das eigenständige Erarbeiten von Ensemble-Literatur zu fördern, waren die Coaches lediglich als Unterstützung gedacht. Die Hauptarbeit lag bei den Ensembles selbst.  So gingen die Coaches Markus Wagner vom MV Hütten, Josef Klein vom MV Oberhof, Herbert Gramsch von der Trachtenkapelle Altenschwand, Klaus Siebold vom MV Niederhof, allesamt Dirigenten aus Bezirk VII, im halbstündigen Wechsel durch die Proberäume, um den Ensembles Hilfestellung zu geben, etwa bei den Fragen „Wie stimme oder zähle ich an?“ oder „Wie kommunizieren wir miteinander?“. Aber auch das, was zwei Jahre lang „auf Eis gelegt war“ und schmerzlich vermisst wurde, nämlich das gemeinsame Musizieren im großen Orchester, sollte im Workshop nicht zu kurz kommen. Und so studierten Klaus Siebold und Herbert Gramsch auch mit dem großen Orchester-Tutti noch zwei Orchesterwerke für das Konzert ein.

Bevor es so weit war, ging es gemeinsam in die Mittagspause – ein in seiner Bedeutung nicht zu unterschätzender Programmpunkt. Schließlich „geht es nicht nur ums Musizieren, sondern auch um den Austausch und das vereinsübergreifende Miteinander“, findet Siebold. Nach dem Mittagessen ging es in die nächste Übesession und auch für eine Generalprobe war am Nachmittag noch Zeit. Die Ensembles spielten sich gegenseitig vor und legten die Stücke und die Reihenfolge für das Konzertprogramm fest.

Im Soirée-Konzert in der Pfarrkirche St. Zeno Herrischried präsentierten die Teilnehmenden anschließend die erarbeiteten Ensemblewerke. Über eine Stunde lang boten die sieben Ensembles ein abwechslungsreiches und anspruchsvolles Programm vom Barock  bis hin zu Popsongs und unterstrichen mit Titeln wie „Joshua fit the battle of Jericho“, „Feuerwerksmusik-Bourée“, „Baby Elephant Walk“, „Don’t stop me now“, der Titelmelodie aus den „Glorreichen Sieben“, „New York, New York“, dem Popsong „Take on me“ von Pal Waaktar/Magne Furuholmne arrangiert von Paul Murtha, nachdrücklich, dass sie das Musizieren in der Zwangspause nicht verlernt haben. Im Gesamtchor intonierten die Musiker abschließend die facettenreichen Klangfarben des Blasorchesters und begeisterten mit den schönen Melodien des Konzertwerks „Mountain Wind“ von Martin Scharnagl ihr Publikum. Den ergreifenden Schluss- und Höhepunkt des Konzerts setzte die unter der Leitung von Herbert Gramsch gespielte ukrainische Nationalhymne, der die Zuhörer stehend lauschten. Ihre Wertschätzung für das schöne Konzert verlieh das Publikum am Ende auch am Spendenkorb Ausdruck: über 1000 Euro an Spenden kamen für die Ukraine-Hilfe zusammen. Dass sich das Workshop-Projekt auch für die Aktiven aus den Vereine gelohnt hat – für den einzelnen Musiker genauso wie für das vereinsübergreifende Miteinander im Bezirk -, darin waren sich ohnehin alle Beteiligten einig.  „Das war ein gelungener Neustart und Auftakt für die Probenarbeit in den Vereinen“, freuten sich die Coaches mit Klaus Siebold. Und weil er überzeugt ist, dass sich das Projektkonzept nicht nur für den Neustart eignet und „unbedingt“ auch auf andere Verbände übertragen lässt, hat er das Konzept ausgearbeitet und stellt es gerne anderen Verbänden zur Verfügung. Alte Ideen sind eben doch keine Ladenhüter, sondern empfehlen sich dringend zur Nachahmung.

Info: Sie haben Interesse am Projektkonzept? Klaus Siebold stellt es Ihnen gerne zur Verfügung. Senden Sie Ihre Anfrage per Mail an Bezirksdirigent Bezirk 7 (BVH) bd7@bv-hochrhein.de