Jazzer müssen improvisieren können – und das nicht nur am Instrument. Herbert Schiffels hat das in den rund 40 Jahren des Freiburger Schüler Jazzorchesters mehrfach erfahren. Der Gründer des FSJ aber hat die organisatorischen Herausforderungen jedes Mal gemeistert und immer eine Lösung gefunden. Die jüngste hat dazu geführt, dass das Freiburger Schüler Jazzorchester als Jugendabteilung des Jazzhaus Freiburg Mitglied im Oberbadischen Blasmusikverband wurde.

In Sachen Big Band ist Herbert Schiffels ein „Selfmademan“. Als der Musik- und Mathelehrer 1974 ans Rotteck-Gymnasium kam, begann gerade das große  Sinfonieorchester auseinander zu bröckeln und „das Interesse an der klassischen Musik einzubrechen“, wie sich Schiffels erinnert. Gleichwohl gab es an der Schule viele Kinder und Jugendliche, die ein Instrument spielten und damit beste Voraussetzungen für die Gründung einer neuen Combo. „Machen Sie, was Sie wollen“, mit diesen Worten gab ihm der damalige Rektor freie Hand und Schiffels ließ sich nicht zweimal bitten. Und weil er, der Pianist, eine persönliche Vorliebe für Big-Band-Musik hat, gründete er 1984 eine Big Band: die Rotteck-Big-Band. Und die ließ nicht nur schnell aufhorchen. Vielmehr wurde ihr Sound innerhalb kürzester Zeit in Freiburg und darüber hinaus unüberhörbar. Schon ein Jahr nach der Gründung gewann die Band den 1. Preis beim Wettbewerb  Jugend jazzt“, trat 1986 in einer ZDF-Live-Sendung auf, wirkte 1987 bei der Eröffnung des Freiburger Jazzhauses und 1988 in einem Sinfoniekonzert des Freiburger Philharmonischen Orchesters mit und hatte 1989 einen Auftritt beim Jugendfest des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker. Dass die Band auch für Schüler anderer Freiburger Schulen attraktiv wurde, konnte da nicht ausbleiben. Herbert Schiffels nahm sie auf und benannte die Band kurzerhand um in Freiburger Schüler Jazzorchester. Um der vielen Interessenten Herr zu werden, wandte er einen einfachen Trick an: Er legte die Probe auf den Samstag, wenn kein Unterricht stattfand. „Das war mein Haustrick, denn so blieben von 100 Interessenten nur die 30 Ernsthaften übrig“, erzählt Schiffels schmunzelnd. 30 Musiker:innen – das ist für Schiffels die Obergrenze für die Besetzung. „Mehr ist schlecht“, weiß er. Denn klassischerweise sind Big Bands solistisch besetzt. Was für Schiffels aber nicht bedeutet, dass die Bassposaunen-Stimme nicht auch von einer Tuba gespielt und, wie bei Glenn Miller, „für den besonderen Sound“ ein Saxophon durch eine Klarinette ersetzt werden kann. Genauso wenig setzt die „solistische Besetzung“ voraus, dass die Kinder beim Eintritt ins Orchester schon absolute Könner sind. „Es ist nicht so wichtig, dass die Kinder schon virtuos spielen. Sie müssen selber mitspielen wollen, nicht, weil die Mama es sagt.“ Worauf es beim Jazz und in der Big Band ankommt, das lernen die jungen Musikerinnen und Musiker im Orchester noch, und zwar, wie Schiffels weiß, „am einfachsten, indem man neben einem erfahrenen Musiker sitzt und sich das Wichtigste abguckt.“ Ein Vorspiel gibt es aber gleichwohl. Danach werden die Neuen nach und nach integriert, um die Lücken der ausgeschiedenen Abiturienten zu füllen. An diesem Prozedere hat sich bis heute nichts geändert. In den knapp 30 Jahren unter seiner Leitung haben rund 300 Jungmusiker Schiffels Schule durchlaufen. Zu vielen der Ehemaligen hat er noch Kontakt. Einige sind sogar Berufsmusiker geworden. „Wir haben tolle Sachen gemacht“, sagt Herbert Schiffels und erinnert an die Konzerte im Freiburger  Konzerthaus mit dem Philharmonischen Orchester, die Generationenkonzerte im Freiburger Theater mit dem Senioren-Salon-Orchester, den Auftritt auf dem Zelt-Musik-Festival und an die Konzertreisen nach Dresden, Mailand, Frankreich unter anderem zum JazzBonne Festival nach Valbonne/Antibes und in die USA. Allein fünf Mal reiste Schiffels mit dem FSJ nach Glenelg/Maryland, um die Partnerschule und deren Big Band zu besuchen und genauso oft empfing sie deren Big Band zum Gegenbesuch. Die seit 1997 bestehende Partnerschaft zur Schule in Glenelg wird bis heute gelebt. „Für das kommende Jahr haben wir  wieder große Pläne“, berichtet Schiffels im Herbst 2022. Auf dem Programm steht nicht nur erneut eine Konzertreise in die USA. Schiffels nutzte vielmehr seine Kontakte nach Israel – „ich kenne den Leiter des Musik-Departments einer High-School in Tel Aviv“ – um ein Austauschprogramm aufzubauen. „Im Januar machen wir mit der FSJ ein Doppelkonzert mit der Big Band aus Tel Aviv und ein Gegenbesuch ist natürlich auch geplant.“

Schulpolitische Entscheidungen gefährdeten Schiffels Herzensprojekt

Dass Schiffels immer noch von „wir“ spricht, verwundert selbst vor dem Hintergrund, dass er 2012 die Leitung des FSJ abgab, niemanden. Denn der Initiator und Gründer des FSJ ist als Spiritus Rector seinem Herzensprojekt bis heute aufs Engste verbunden. Gerade in der jüngsten Vergangenheit hat sich das als Glücksfall erwiesen. Stand das FSJ doch mehr als einmal auf der Kippe. Doch der Reihe nach. 2012 übergab Schiffels, wie gesagt, die Leitung des FSJ in die Hände von Hans Clasen, Lehrer am Friedrichs-Gymnasium. Er übergab Hans Clasen ein Orchester, das gut dastand und sich mit seiner Qualität und seinem großen Repertoire an Swing-Nummern, Jazz-Standards, Funk-, Latin- und Soul-Titeln im Wettbewerb mit den rund 200 Big Bands an Baden-Württembergs Schulen bestens behaupten konnte. Und fast zehn Jahre lang konnte Hans Clasen die Arbeit von Herbert Schiffels erfolgreich weiterführen. 2021 jedoch gab es einen Bruch: Das Land Baden-Württemberg zog sich aus der Trägerschaft des FSJ zurück. Vor dem Hintergrund des aktuellen Lehrermangels strich das Kultusministerium den sogenannten Ergänzungsbereich und damit AGs wie die Big Band mit dem Argument, die Lehrer würden für den Unterricht gebraucht. Die Argumentation konnte Schiffels durchaus nachvollziehen, trotzdem bangte er um sein Herzensprojekt, dessen Zukunft nun ungewiss war. Die Lösung des Problems flog ihm gleichsam im Schlaf zu: „Eines Morgens bin ich aufgewacht und fragte mich, warum machen wir das nicht im Jazzhaus“ – eine naheliegende Lösung, immerhin war Herbert Schiffels viele Jahre Vorsitzender des Jazzhaus Freiburg e. V., offensichtlich auch für den aktuellen Jazzhaus-Vorstand. „Wir können das Orchester übernehmen“, gab er grünes Licht und das FSJ wurde als Jugendabteilung Teil des Freiburger Jazzhaus Vereins. In der Folge firmierte das Orchester unter dem Namen Freiburger Schüler Jazzhaus Orchester bis es vor Kurzem aus Gendergründen in Jazzhaus Jugendorchester umbenannt wurde. Doch der Wechsel aus der schulischen Trägerschaft in die des Jazzhauses Freiburgs blieb nicht ohne Folgen und warf viele Fragen auf. Nicht nur musste ein neues Probenlokal gefunden werden, auch die Leitung und Fortführung der Probenarbeit war plötzlich infrage gestellt. Sah doch Hans Clasen ohne die Bindung an die Schule für sich keine Möglichkeit, das FSJ weiter zu leiten. Diese Entwicklungen fielen mitten in die Corona-Pandemie, die einen „normalen Betrieb“ des Freiburger Schüler Jazzorchester ohnehin nahezu unmöglich machte. Das bot die Chance, aus den Lektionen der Vergangenheit zu lernen, Umstrukturierungen voranzubringen und einen Neustart zu wagen. Das Jazzhaus Freiburg als neuer Trägerverein war dabei dank seiner guten Vernetzung in Freiburg sehr hilfreich. So konnte in der Jazz- und Rock-Schule schnell ein passender Probenraum gefunden werden. Und nachdem der Beschluss gefasst war, künftig organisatorische und musikalische Leitung zu trennen, waren die beiden Posten ebenfalls schnell besetzt. „Weil wir jetzt ein Verein sind, hatten wir im Hinblick auf die musikalische Leitung völlige Freiheit und konnten die Dirigentenstelle einfach ausschreiben“, sagt Herbert Schiffels. Mit dem Pianisten und Saxophonisten Will Bartlett wurde ein echter Big-Band-Experte für diesen Posten gefunden, der unter anderem schon im Pasadena Roof Orchester und dem Glenn Miller Orchestra in Big-Band-Besetzung gespielt und das Oxford University Jazz Orchestra als auch das National Youth Orchestra of Great Britain geleitet hat. Die organisatorische Leitung konnte zudem mit dem musikalisch und pädagogisch erfahrenen Nikolaus Halfmann optimal besetzt werden. Und auch für die vielen aufgeworfenen Fragen, etwa in Bezug auf Versicherungen und Mitgliederverwaltung, wurde eine einfache Antwort und pragmatische Lösung gefunden: Der Jazzhaus-Verein und das Jazzhaus Jugendorchester wurden einfach Mitglied im BDB, genauer im Oberbadischen Blasmusikverband Breisgau. Mit der Mitgliedschaft im BDB sind die Versicherungsfragen geklärt, kann das Jazzhaus Jugendorchester die Vereinsverwaltungssoftware ComMusic nutzen und vielfältige Unterstützung in vielen Anliegen in Anspruch nehmen. Die Voraussetzungen, wieder richtig durchzustarten, könnten für das Jazzhaus Jugendorchester nicht besser sein. Dass auch der OBV und BDB von ihrem neuen Mitglied profitieren, daran gibt es keinen Zweifel: Der BDB gewinnt neue Mitglieder und mit dem Jazzhaus Jugendorchester einen großartigen Werbeträger für die Blasmusik, der auf begeisternde Weise für das junge Gesicht und die stilistische Vielfalt der Blasmusik steht.

Martina Faller