Im Rahmen des Pilotprojekts MusikRaumAkustik wird den Amateurmusikensembles in Baden-Württemberg die Möglichkeit einer kostenlosen Beratung zur Verbesserung ihrer Raumakustik angeboten. Die Räume, in denen Ensembles der Amateurmusik ihre Proben durchführen, sind meist viel zu klein für die Anzahl der Musizierenden.

Eine Verbesserung wird durch verkürzen der Nachhallzeiten und damit dem Absenken des Stärkemaßes der Räume erreicht. Dabei bildet das Gleichgewicht zwischen Transparenz und Lautstärke in vielen Räumen eine Gratwanderung, die durch Unterschreiten der empfohlenen Nachhallzeiten und gezielte Verteilung akustisch diffuser Elemente gelöst werden kann. Akzeptable Probenräume können auf diesem Weg je nach Geometrie ab 10 m3 erreicht werden.

Projektbeschreibung

Eine gute Probenarbeit bedarf geeigneter Räume, die es einem Ensemble erlauben, sich gegenseitig zu hören und die volle Dynamik auszuspielen. Viele Ensembles der Amateurmusik nutzen Räume, die ihnen von der Stadt oder Gemeinde zur Verfügung gestellt werden. Diese Räume sind oft zu klein für die Anzahl der Musizierenden und akustisch nicht aufbereitet. Dies betrifft in Deutschland über 14 Millionen Musizierende, die meist auch in Chören und Orchestern aktiv sind [1].

Das Pilotprojekt MusikRaumAkustik des Bundes Deutscher Blasmusikverbände e. V. (BDB) in Baden-Württemberg bietet den Ensembles der Amateurmusik eine Serviceberatung zu Raumkonzepten im Dreiklang aus Akustik, Raumlufthygiene und Energieeffizienz für Proben- und Aufführungsräume. Der BDB ist Dachverband von rund 1.100 Vereinen der Amateurmusik mit über 70.000 aktiven Musizierenden, wobei das Beratungsangebot nicht auf Mitgliedsvereine beschränkt ist.

Für die Beratung werden die Anzahl der Musizierenden, die Nutzungsart, die Besetzung des Ensembles sowie die Volumina der Räume vorab erfasst. Dies erfolgt in Form eines webbasierten Fragebogens über die Website des Projektes ( http://www.musikraumakustik.de ).

Ein typischer Projektablauf im Rahmen einer Akustikberatung für ein Amateurmusikensemble ist in Abbildung 1 dargestellt. Die wahrgenommenen akustischen Probleme wie z. B. kein transparentes Klangbild oder eine zu hohe Lautstärke im Raum können als Motivation für die akustische Verbesserung angegeben werden. In einer Besichtigung der Räume werden die individuellen Besonderheiten analysiert und eine Messung der Nachhallzeiten durchgeführt. Mit den Vertretenden der Ensembles wird in diesem Schritt geklärt, ob und welche Art von Maßnahmen in Eigenregie umgesetzt werden können. Viele Amateurmusikensembles sind als Verein organisiert und verfügen nur über ein sehr begrenztes Budget. Die Raumgebenden – Städte und Gemeinden – sind eher zurückhaltend, was Budgetzusagen betrifft. Die Empfehlungen für jeden Probenraum können individuelle Lösungen, die auf die handwerklichen Fähigkeiten der Musizierenden zugeschnitten sind, enthalten. So können Ensembles mit geringem finanziellen Einsatz ihre Räume akustisch aufwerten für eine effektive Probenarbeit. Diese Art der Umsetzung ist in vielen Räumen bereits anzutreffen, die in Eigenregie optisch und funktional aufgewertet wurden. Für eine gute Akustik fehlt oft lediglich das erforderliche Hintergrundwissen.

Datenerhebung

Im Rahmen des Pilotprojektes wurden bisher 42 Probenund Aufführungsräume erfasst. Die Anfragen wurden von 40 Blasmusikensembles und zwei Chören gestellt. Die mittlere Ensemblegröße liegt bei 47 Personen, wobei die Spanne von 15 bis zu 80 Musizierenden reicht (siehe Grafik rechts). Die Problemfelder sind bei den Blasorchestern meist eine hohe oder zu hohe Lautstärke, oft bei gleichzeitiger geringer Transparenz. Im Falle der Chöre liegt die Problematik hauptsächlich bei der fehlenden Transparenz.

Bei der Selbsteinschätzung für den subjektiven Parameter der wahrgenommenen Lautstärke haben 31 Ensembles „sehr laut” angegeben (76 %) und 9 „mittelmäßig” (22 %), wobei die Skala von „angenehm” über „mittelmäßig” bis „sehr laut” reicht. Bei den subjektiven Parametern des gegenseitigen Hörens (Skala: „gut”, „mittelmäßig”, „sehr schlecht”) haben 10 Ensembles „sehr schlecht” (24 %), 26 „mittelmäßig” (63 %) und 3 „gut” (7 %) angegeben. Drei Ensembles haben keine Angabe zu den subjektiven Parametern gemacht, die Räume befinden sich in Planung oder bereits im Bau.

Um eine angenehme Balance zwischen einer klaren Akustik und einer akzeptablen Lautstärke beim gemeinsamen Musizieren zu finden, empfiehlt die ISO 23591 eine Spanne von Raumvolumina und Nachhallzeiten für Probenräume [2]. Die erhobenen Daten zeigen, dass das empfohlene Raumvolumen praktisch nie erreicht wird. In nebenstehender Grafik ist das verfügbare Raumvolumen je musizierender Person dargestellt, die in dem jeweiligen Raum probt. Die Empfehlung der ISO 23591 von 50 m3 je Person für laute akustische Musik, wie es bei Blasorchestern der Fall ist, wird von keinem der erfassten Ensembles erreicht.

Das kleinste verfügbare Raumvolumen je Person beträgt gerade einmal 3 m3/Person, das größte erreicht mit 25 m3/ Person gerade die Mindestforderung der ISO 23591 für leise akustische Musik. Im Mittel beträgt das Verhältnis 8 m3/ Person und liegt damit weit unterhalb des empfohlenen Raumvolumens.

Empfehlung

Das Projekt MusikRaumAkustik steht vor der Herausforderung, im Bestand der zu kleinen und viel zu kleinen Räume eine Empfehlung zur Verbesserung der Raumakustik zu erstellen. Außerdem ist eine möglichst kostengünstige Lösung sowohl bei der Beratung als auch für die Empfehlung zur Verbesserung der Raumakustik gefragt.

Für die Ensembles der Amateurmusik wäre in fast allen erfassten Fällen die korrekte Empfehlung, den bisherigen Raum aufzugeben und einen größeren Raum zu suchen. In wenigen Fällen besteht bereits Aussicht, einen größeren Raum nutzen zu können, was durch die Empfehlung der ISO 23591 durch die Ensembles mit Nachdruck verfolgt werden kann. In vielen Fällen ist der Wechsel des Probenraums jedoch nicht möglich oder erfordert eine Planungs- und Übergangsphase von mehreren Jahren, wie bei Neu- oder Umbauten an öffentlichen Gebäuden.

Eine Verbesserung wird durch Verkürzen der Nachhallzeiten und damit dem Absenken des Stärkemaßes der Räume erreicht. Dabei bildet das Gleichgewicht zwischen Transparenz und Lautstärke in vielen Räumen eine Gratwanderung, die durch Unterschreiten der empfohlenen Nachhallzeiten und gezielte Verteilung akustisch diffuser Elemente gelöst werden kann.

Für die Simulation der nötigen Akustikelemente wird die Raumakustiksoftware Sarooma (https://www.sarooma.de/) verwendet. Nach Abschluss der Planung wird eine Empfehlungsschrift zusammengefasst und dem Ensemble übermittelt. Neben dem Messergebnis, der Einordnung in die ISO-Norm sowie einer Skizze der Raumplanung, werden darüber hinaus Lösungsvorschläge erstellt, die die Ensembles im Anschluss in einer eigenverantwortlichen Umsetzung verwenden können (z. B. Konstruktionspläne für Breitbandabsorber und eine Auswahl an Akustikelementen verschiedener Hersteller).

Umsetzung mit Beispielprojekten

Bereits umgesetzte Empfehlungen zeigen in zwei Räumen, dass mit einem Raumvolumen von etwa 10 m3 pro Person eine akzeptable Raumakustik für die Probenarbeit erreicht werden kann. Nachstehende Grafik zeigt die Nachhallzeiten vor und nach der Verbesserung der Raumakustik in einem der Räume. Die Zeiten sind mit den Akustikelementen (Absorber, Diffusor, Bassfallen) kürzer, als die ISO empfehlen würde. In diesem Fall wurde die alte Sporthalle einer Schule für ein Blasorchester hergerichtet. Da der Raum auch in kleiner Besetzung mit weniger als 10 Personen bis zum vollständigen Orchester genutzt wird, kommt ein Akustikvorhang als variables Element zum Einsatz. Die Rückmeldung der Musizierenden zeigt, dass sich die Raumakustik beim gemeinsamen Musizieren auch subjektiv deutlich verbessert hat.

Der zweite Raum wurde mit Akustikelementen im Eigenbau (siehe Bild unten) ausgestattet und hat ebenfalls, wie in der Grafik links dargestellt, kürzere Nachhallzeiten als die Empfehlung der ISO. Dennoch wird der Raum als angenehm empfunden.

Ein weiteres Beispiel zeigt, dass die alleinige Simulation auf Basis der Sabineschen Formel keine Garantie für eine gute Raumakustik ist. In der Grafik auf der rechten Seite ist die gemessene Nachhallzeit eines Neubaus für Blasorchester dargestellt. Das Raumvolumen beträgt 436 m3, sodass über 3 sec. Nachhallzeit deutlich zu lang sind. Die Simulation des Raumes mit Akustikdecke nach der Sabineschen Formel belegt, dass der Raum theoretisch korrekt geplant wurde. Durch die parallelen Wände entstehen Flatterechos. Der Schall erreicht die Absorberfläche nicht, da sie ausschließlich an der Decke angebracht ist. Da im Raum kein diffuses Schallfeld entsteht, ist die Voraussetzung zur Anwendung der Sabineschen Formel nicht erfüllt. Abhilfe schaffen Diffusoren an den Wänden, da die Absorption bereits ausreichend dimensioniert ist.

Diskussion und Ausblick

Die bisher erfassten Raumsituationen der Amateurmusik zeigen, dass kein Raum für Chor- und Orchesterproben oder Aufführungen den Anforderungen von ISO 23591:2021 entspricht. Die Stichprobengröße ist mit 42 Räumen relativ klein, die Anfragen werden jedoch vorwiegend von engagierten Ensembles gestellt und nicht von Ensembles mit ausgesprochen schlechten Räumen bestimmt.

Es handelt sich um ein breites Spektrum an Räumen z. B. in Schulen, Gemeinde- oder Kulturzentren, Mehrzweckhallen oder Kirchen. Eine besondere Herausforderung sind Räume, die sowohl für Sprache, Chor als auch Orchester genutzt werden, da hier eine variable Raumakustik nötig ist. Problemfelder sind das Raumvolumen, was meist deutlich kleiner als die Empfehlung der ISO ist, die Nachhallzeiten sind meist zu lang und Diffusoren sind meist nicht vorhanden. Weitere Problemfelder sind Hintergrundgeräusche (Lüftung, Heizung, Dimmer für Beleuchtung etc.) und der Lärmschutz im Gebäude zu anderen Räumen oder nach Außen. Ähnliche Problemfelder wurden in Norwegen bei einer Erhebung mit über 500 Räumen festgestellt [3].

Erste Umsetzungen zur Verbesserung der Raumakustik mithilfe von MusikRaumAkustik zeigen, dass mit 10 m3 pro Person eine akzeptable Raumakustik für die Probenarbeit erreicht werden kann. Der Bestand an Räumen kann mit einfachen Mitteln für Chöre und Orchester verbessert werden. Langfristig sind in vielen Fällen größere Räume für die Amateurmusik notwendig.

Saskia Meissner, Arnold Meissner, Christoph Karle (alle BDB) und Stefan Balke (Weserberglandorchester Bödexen)

Quellen/Literatur:[1] Deutsches Musikinformationszentrum & Institut für Demoskopie Allensbach (2021): Amateurmusizieren in Deutschland. Techn. Ber. https://miz.org/de/statistiken/amateurmusizieren-in-deutschland .[2] International Organization for Standardization: Acoustic quality criteria for music rehearsal rooms and spaces. In: ISO (2021). https://www.iso.org/standard/76335.html .[3] Olsen, J. G. & Rindel, J. H.: The acoustics of rooms for music rehearsal and performance – The Norwegian approach. In: The Journal of the Acoustical Society of America (2017), 141, 5: 3597–3597. https://asa.scitation.org/doi/10.1121/1.4987685 , publisher: Acoustical Society of America.