Wertungsspiele, Wettbewerbe und Literaturlisten – das sind die Kernthemen des BDB Musikbeirats. Auch bei der Klausurtagung des Gremiums im Januar standen sie wieder auf der Tagesordnung. In allen drei Bereichen gibt es Neuerungen, wie Bundesmusikdirektor Matthias Wolf im Interview berichtet. Die wichtigste: Mit dem neuen Format „Wertungsspiel vor Ort“ kommt das Wertungsspiel jetzt auch nach Hause zu den Musikvereinen.

blasmusik: Seit zwei Jahren führt der BDB Musikbeirat Anfang Januar seine Klausurtagung parallel zur Bläserjugend-Tagung durch. Hat sich das schon bewährt?

Wolf: Absolut – sowohl im Hinblick auf den Termin und erst recht natürlich, was inhaltliche Überschneidungen anbelangt. Es ist einfach gut, gemeinsam ins Jahr zu starten, sich in der großen Runde zu treffen und die Themen, die sich anbieten, zu vernetzen und gemeinsam zu besprechen.

blasmusik: Welche Themen sind das?

Wolf: Die Wertungsspiele sind ein Paradebeispiel für ein solches Thema. Sie sind zwar einerseits das Hoheitsgebiet des Musikbeirats, andererseits aber lagen die meisten Ausschreibungen in den vergangenen Jahren im Zuständigkeitsbereich der Jugendabteilungen der Mitgliedsverbände. Daher war es wichtig, sich mit der Bläserjugend über die Wertungsspiele auszutauschen und die Erfahrungen und das Feedback aus den Verbänden einzuholen. Letzteres ist übrigens sehr  positiv ausgefallen und hat uns gezeigt, dass uns die Fortbildung im Jurorenkreis in Sachen Gesprächsführung weitergebracht hat.

blasmusik: Also, alles Friede, Freude, Eierkuchen im Bereich Wertungsspiele?

Wolf: Nein, das kann man so natürlich nicht sagen. Die Teilnehmerzahlen liegen eigentlich schon seit Jahren unter unseren Erwartungen und wir würden uns da schon eine höhere Beteiligung wünschen. Vor sechs Jahren hat der Musikbeirat die Wertungsspielordnungen deshalb überarbeitet und die Punktwertungen durch Prädikatwertungen ersetzt. Aber was nutzt uns das beste System, wenn es die Leute nicht wollen. Auf der Grundlage der Erfahrungen in den Verbänden haben sich Musikbeirat und Juroren nun auf den Weg gemacht und das Format Wertungsspiel nochmals überarbeitet. Die Wünsche von der Basis sind dabei ausdrücklich berücksichtigt worden. Gleichzeitig machen wir aber keine Rolle rückwärts, sondern haben ein integratives Konzept erstellt.

blasmusik: Was bedeutet das?

Wolf: Das bedeutet, dass die Wertung im Bereich Wertungsspiele keine Entweder-oder, sondern eine Sowohl-als-auch-Frage ist und dass wir beides brauchen: die Prädikatswertung und die Punktwertung. Denn die Erfahrungen haben gezeigt, dass die Prädikatswertung im Jugendbereich sehr gut ankommt, während im Orchesterbereich oft eine Punktwertung bevorzugt wird. Deshalb wollen wir für die Ausrichter wieder beides ermöglichen. Beibehalten werden wir aber auf jeden Fall die Beratung vor dem ganzen Orchester. Sie hat sich absolut bewährt.

blasmusik: Was tut sich im Bereich Wettbewerbe und Literatur?

Wolf: Tatsächlich haben wir uns bei der Klausurtagung auch mit dem Thema Literatur beschäftigt. Eigentlich heißt Wettbewerb ja immer auch Pflichtstück. „Eigentlich“ aber deshalb – weil wir 2023 die Pflichtstücke aussetzen. Mit Ausnahme vom IJKT – diese Pflichtstücke sind ja schon lange bekannt – wird es 2023 bei den Konzertmusik-Wettbewerben also keine Pflichtstücke geben. Dies ist der Corona-Situation und der Tatsache geschuldet, dass die Vereine in der Pandemie nicht wie gewohnt proben konnten. Dem wollten wir Rechnung tragen, die Hürden abbauen und die Wettbewerbe offener und niedrigschwelliger gestalten. Für 2024 haben wir aber eine neue Literaturliste verabschiedet. Johannes Brenke hat als Literaturbeauftragter eine neue Auswahl an Pflichtstücken getroffen und sie dem Musikbeirat im Notenbild und Hörbeispiel vorgestellt. Sie ist – wie gesagt – aber erst 2024 verbindlich.

blasmusik: Im vergangenen Herbst haben Sie bei der BDB Hauptversammlung die Idee eines „Wertungsspiels vor Ort“ präsentiert. Ist aus der Idee inzwischen ein Konzept geworden?

Wolf: Ja, und das Konzept wollen wir auch möglichst zeitnah in einer Pilotphase umsetzen, für die sich die Vereine und Orchester ab sofort bewerben können. Doch zurück zum Konzept. Es basiert auf dem Grundgedanken, dass die Orchester nicht zum Wertungsspiel hinfahren, sondern die Jury zum Orchester kommt. Im Rahmen eines Konzertes bewerten die Juroren zwei vorab ausgewählte Stücke nach den Kriterien der Wertungsspielordnung. Alle anderen Stücke im Programm hören die Juroren wie Konzertbesucher. Noch am Konzertabend kann das erreichte Prädikat bekannt gegeben werden. Die Beratung indes soll in der nächsten Probe erfolgen. Das gibt dem Juror nicht nur Zeit, sich ausführlich Gedanken zu machen, wie das Orchester weiterentwickelt werden kann. In der  Probe kann er sogar einige Vorschläge direkt ausprobieren und so insgesamt dem Orchester und seinem Dirigenten viel mehr Input geben und auch zu allen musikalischen Parametern des Konzertes beraten.

blasmusik: Welche Vorgaben gibt es für das „Wertungsspiel vor Ort“?

Wolf: Im Grunde gibt es nur eine einzige Vorgabe: Die beiden Stücke müssen im Konzertprogramm hintereinanderliegen. Im Hinblick auf Literaturauswahl, Schwierigkeitsgrad und Spieldauer sind die Orchester aber ganz frei – was es in meinen Augen absolut attraktiv macht. Schließlich bietet das „Wertungsspiel vor Ort“ Orchestern die Möglichkeit, sich – ganz ohne Kosten und zusätzlichen Aufwand – bewerten und beraten zu lassen und sich auf der Grundlage der  Empfehlungen der Juroren als Klangkörper weiterzuentwickeln.