Junge „Brassgauer“ mit Puste

Mit der Black Forest Brass Band wurde erstmals eine Brassband Mitglied im Bund Deutscher Blasmusikverbände. Die australische Trompeterin Dee Boyd hat die in Baden-Württemberg noch seltene Formation in den Breisgau mitgebracht und bereichert seit 2019 mit der Black Forest Brass Band die regionale Musiklandschaft. Nach einem vielversprechenden Auftakt bremste die Pandemie die Brassband zwei Jahre lang aus. Mit einem Workshop-Wochenende möchten die jungen „Brassgauer“ nun wieder so richtig durchstarten.

Zwischen Süddeutschland und Australien liegen geschätzt rund 15.000 Kilometer. Dass die Australierin Dee Boyd im Breisgau ihre zweite Heimat fand, liegt dennoch auf der Hand. Schließlich hat hier jedes Dorf seine Blaskapelle oder seinen Musikverein. In ihrer Heimat ist das genauso, nur dass es dort eben Brassbands sind. „In Australien hat jedes Dorf und jede Stadt mindestens eine Brassband und es gibt eine lebendige Wettbewerbsszene“, berichtet Dee Boyd. Der Unterschied zwischen den beiden Formationen liegt in der Besetzung. Wie der Name schon sagt, werden in den Brassbands alle Stimmen ausschließlich mit Blechblasinstrumenten besetzt (brass = englisch für Messing). Das war nicht immer so. In den Anfängen waren in den Bands auch Klarinetten, Querflöten und Fagotte vertreten. Dies änderte sich Mitte des 19. Jahrhunderts. Nach preußischem Muster wurde 1857 die britische Militärmusik umgebildet und einheitlich mit Blechblasinstrumenten besetzt. Die Erfindung der Ventile einerseits und der neuen Instrumente der Saxhornfamilie andererseits hatten diese Entwicklung begünstigt. Ermöglichten die Ventile doch eine voll chromatische Spielweise und die Saxhorninstrumente die Entwicklung eines geschlossenen Klangkörpers.  Auf die zivilen Bands blieb diese Entwicklung nicht ohne Einfluss und so setzten sich auch dort reine Blechbesetzungen durch. Neben der reinen Blechbesetzung charakterisieren sich die Brassbands durch einen ausgeprägten Wettbewerbsgedanken und der britischen Auffassung von Fair Play. Beides führte zur  Vereinheitlichung der Besetzung. Heute setzt sich eine Brassband in der Regel zusammen aus einem Sopran-Cornet, vier Solo-Cornets, einem Repiano-Cornet jeweils zwei 2. und 3. Cornetstimmen, Flügelhörnern, drei Hörnern, jeweils zwei Baritonen, Euphonien und Posaunen, jeweils zwei Tuben in F und B sowie drei Schlagzeugern. Der englische Musikergruß „Keep on banding!“ fasst all das bündig zusammen. Aus ihm sprechen der Enthusiasmus und die Freude am  gemeinsamen Musizieren genauso wie eine gehörige Portion an englischem Sportsgeist und die große Dynamik und Lebendigkeit der Brassband-Szene. Immerhin geht es beim „Banding“ auch darum, musikalische wie spieltechnische Herausforderungen zu meistern und sich ständig zu verbessern. Dee Boyd jedenfalls ist in dieser Szene groß geworden. Schon im zarten Alter von acht Jahren hat sie angefangen in einer Brassband Cornet zu spielen. Später erweiterte sie ihr Instrumentarium um Flügelhorn und Trompete und studierte zunächst am Griffith Queensland Conservatorium of Music, dann mit einem Stipendium  am Konservatorium der University of Tasmania unter Yoram Levy Trompete. 2012 zog Dee Boyd nach Deutschland, um 2014 an der Musikhochschule Saar ihren Bachelor of Music und danach 2016 ihren Master of Music in der Klasse von Prof. Wim Van Hasselt an der Hochschule für Musik in Freiburg abzulegen. Der Breisgau wurde anschließend zu ihrem Wirkungskreis. Hier arbeitet sie als Dirigentin verschiedener Blas- und Jugendorchester, unterrichtet Trompete und ist als Solistin gefragt. Ihre musikalischen Wurzeln in der Brassband-Szene Australiens hat sie indes nie vergessen. Im Gegenteil. Auch nach ihrem Umzug nach Deutschland blieb sie der Brassband treu, nur eben auf neuem Terrain. Sie schloss sich der Bayrischen Brass Band Academy, kurz 3BA, an und spielt dort das sogenannte Repiano-Cornet. Das Repiano-Cornet darf in keiner Brassband fehlen. Es ist fester Bestandteil der Cornet-Section und hat die Funktion, Melodien oder andere Passagen im Solo- und Soprano-Cornet zu verstärken – entweder in der derselben oder in der unteren Oktave. Erst im Mai 2022 nahm Dee Boyd mit 3BA als Vertreter für Deutschland an der European Brassband Championship in Birmingham teil und wetteiferte mit den weltbesten Brassbands um Titel und Platzierungen. Doch damit nicht genug: Dee Boyd wollte ihre Begeisterung für die Brassband nicht nur selbst ausleben, sie wollte auch in ihrer neuen badischen Heimat die Begeisterung für die musikalische Tradition ihrer australischen Herkunft wecken. Mit einer Gruppe von interessierten Blechbläsern fuhr sie im September 2019 nach Luzern zur Brass Swiss Open. Danach gab es kein Halten mehr. „Cool, wann fangen wir an“, war unisono der Tenor. Dee Boyd ließ die hochmotivierten Bläser nicht lange warten, rief direkt die Black Forest Brass Band ins Leben und bereitete in nur vier Proben die Premiere der neugegründeten Formation im Rahmen eines gemeinsamen Konzertes mit dem Jugendblasorchester des Oberbadischen Blasmusikverbands vor. Es wurde ein voller Erfolg und geriet offenbar zur besten Werbung für den Australien-Import. Denn schon ein halbes Jahr später hatte die Brassband die Anzahl ihrer Mitglieder mehr als verdoppelt, zählte 25 Musiker:innen in ihren Reihen und konnte bereits ein eigenes Konzert bestreiten. „In dieser kurzen Zeit haben sie sich mit ihrer Qualität und Einzigartigkeit einen klingenden Namen in der Blasmusikszene Südbadens erspielt“, hieß es in der Badischen Zeitung über die Weihnachts-Benefiz-Gala in der St. Gallus Kirche in Kirchzarten. Wenig später umrahmte die Black Forest Brass Band noch den Neujahrsempfang in Kirchzarten, dann schob die Corona-Pandemie den Proben und Konzerten erst einmal einen Riegel vor. Dee Boyd lässt sich davon nicht entmutigen. Beflügelt vom vielversprechenden Auftakt und der positiven Resonanz arbeitete sie am Comeback der Black Forest Brass Band. Im November 2022 ist es nun so weit. Mit einem Workshop „für junge Brassgauer mit Puste“ will sie die Begeisterung für die Brass Band wieder anfachen und dafür sorgen, dass die musikalischen Traditionen ihrer australischen Heimat auch in Südbaden Wurzeln schlagen. Dass es gelingt, davon ist sie überzeugt. Denn last but not least ist es vor allem der spezifische Klang, jener unverwechselbare warme und weiche Sound, der den Reiz einer Brassband für Spielende wie Zuhörende gleichermaßen ausmacht. Und von beidem gibt es in der Blasmusikregion Südbaden schließlich genug.