Ende November lagen in Deutschland die Infektionszahlen so hoch wie noch nie zuvor in der Corona-Pandemie. Viele Vereine sagten ihre Konzerte ab und diskutierten die Einstellung des Probebetriebs. Viel diskutiert wurde auch bei der Stadtmusik Lörrach und verschiedene Meinungen gab es auch dort. Mit der Unterstützung eines lokalen Testzentrums zog die Stadtmusik ihr Adventskonzert nach sorgfältiger Abwägung auf der Grundlage von 2G plus dennoch durch. Am Ende waren sich die Verantwortlichen, Aktiven und Zuhörer einig: der Aufwand und die Mühe haben sich gelohnt.

Mühsam aber war es in jedem Fall. Nicht nur wegen der Unsicherheit im Hinblick auf die sich verschärfenden Verordnungen. „Wir haben wochenlang gebangt, ob wir das Konzert durchführen können. Täglich, manchmal fast stündlich haben sich die Bedingungen geändert“, rekapitulierte der Vorsitzende der Stadtmusik Daniel Gramespacher. Noch bis zur Generalprobe am Vorabend stand es Spitz auf Knopf, ob das Konzert überhaupt stattfinden kann. Schließlich standen die Ergebnisse der Bund-Länder-Konferenz noch aus und erneut die Befürchtung eines Lockdowns im Raum. Letzteres hätte für ein trauriges Déjà-vu gesorgt. 2020 musste aufgrund des Lockdowns nicht nur das Adventskonzert, sondern auch das Jahreskonzert abgesagt werden. „Wir haben leider das Pech, dass beide Hauptkonzert im Winter liegen“, bedauert Gramespacher. Umso wichtiger war es ihm, die aktuelle Probephase zu einem Abschluss zu bringen und die gute Probenarbeit zu belohnen. Zum Glück trat diese Mal der Worst Case nicht ein und der Lockdown blieb aus. Sogar das Plus wurde für Geimpfte und Genesene in letzter Minute von der Politik wieder zurückgenommen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Stadtmusik indes schon selbst auf 2G plus verpflichtet und eine Testlogistik aufgebaut. Zunächst sah es allerdings so aus, als wäre der Mangel an Corona-Schnelltests der Punkt, an dem das Sicherheitskonzept für das Konzert scheitern könnte.  Daniel Gramespacher ließ dennoch nichts unversucht, probierte über die Stadt Lörrach Tests zu bekommen und kontaktierte – weil die Stadt selbst mit Engpässen zu kämpfen hatte – sogar den Lieferanten der Stadt Lörrach in Wien – ohne Erfolg. Als glücklicher Umstand erwies sich dann aber die Verbindung zu einem Testzentrum vor Ort. Dessen Mitarbeiterin, selbst begeisterte Akkordeonistin und Schwester eines Aktiven der Stadtkapelle, erklärte sich gerne bereit, die Stadtkapelle zu unterstützen und die Musikerinnen und Musiker vor den Proben und dem Konzert zu testen. „Das war für uns eine glückliche Fügung“, weiß Daniel Gramespacher. „Ohne diese Möglichkeit hätten wir kapitulieren müssen“. So aber konnten die Stadtkapelle schon die letzten beiden Proben vor dem Konzert unter 2G plus Bedingungen durchführen und für das Konzert in der Sakristei der Kirche gleichsam ein Orchestertestzentrum einrichten.

Unumstritten war die Durchführung des Konzerts unter den Musikerinnen und Musikern im Vorfeld dennoch nicht. Daraus macht Daniel Gramespacher auch gar keinen Hehl. „Einzelne Musiker haben sich angesichts der Inzidenzzahlen und der Vorgaben zurückgezogen. Und die Bandbreite der Meinungen innerhalb des Orchesters war natürlich groß. Manche standen mit großer Überzeugung hinter dem Konzert, andere hatten Bauchweh und ein ungutes Gefühl“, berichtet er. „Die Angst vor Infektionen schwebte über allem und auch bei ihm selbst blieb ein Rest Unsicherheit zurück. „Aber wer hat schon 100-ige Sicherheit“, fragt Gramespacher. Persönlich ist der Vereinsvorsitzende der Meinung, dass man besser als mit 2 G plus nicht agieren könne. „Ich versuche immer aus jeder Situation das Beste zu machen und halte es für wichtig, eine gewisse Normalität zu schaffen. Wir müssen lernen – natürlich mit entsprechenden Schutzkonzepten – mit dem Virus zu leben“, findet Gramespacher. „Wir können nicht das Leben einstellen, bis die Welt wieder in Ordnung ist. Schließlich wissen wir alle nicht, wie lange die Pandemie noch andauert“. Unterstützung und Rückendeckung bekam die Vereinsführung auch vom BDB. „Das Konzept ist vorbildlich –  alle Vorgaben der CoronaVO werden erfüllt“, befand der geschäftsführende BDB-Präsident Christoph Karle. „Wenn die Kirche ein hohes Raumvolumen besitzt und die Veranstaltung in der aktuellen Situation mit den Behörden vor Ort abgesprochen ist, kann man die Durchführung des Konzertes – auch unter strengen Gesichtspunkten – ohne zu zögern verantworten und vertreten“, so Karle. „Alles andere käme einem Kultur-Lockdown gleich. Wir freuen uns, wenn es Konzerte gibt und Vereine vorbildlich alle Vorgaben erfüllen“.

Dass die Vorgaben auch für das Publikum ein Hindernis darstellen, dessen waren sich Vereinsverantwortlichen durchaus bewusst. „Für ein kostenloses Konzert einen zertifizierten Test zu machen – das ist schon eine hohe Hürde“, weiß er. Mit einem großen Publikum hat er deshalb nicht gerechnet, zumal sich die Stadtkapelle angesichts der unsicheren Situation mit der Öffentlichkeitsarbeit zurückhielt und nur kurzfristig Werbung machte. Letztendlich fanden 50 Zuhörerinnen und Zuhörer den Weg in die Bonifatiuskirche. „Natürlich hätten wir uns mehr Besucher und weniger Anspannung gewünscht“, sagt Gramespacher, betont aber: „Wir haben das Konzert ein stückweit für uns gemacht und hätten auch für 20 oder weniger Zuhörer gespielt“. Die, die kamen, bereuten ihr Kommen indes nicht. Sie erlebten, wie Barbara Ruda von der lokalen Zeitung in ihrem Artikel schrieb, „ein wundervolles Adventskonzert, das beseelte, tröstete und stärkte“.

Wegen der einzuhaltenden Abstände rund um den Altar gruppiert, boten die rund 35 Musikerinnen und Musiker unter der Leitung von Dirigent Andreas Eckert ein stimmungsvolles Programm aus vertonten Psalmen und klangvoll arrangierten Adventsliedern dar. „Musikalisch lief das Konzert sehr gut und war sowohl für das Orchester als auch für die Zuhörer ein beglückendes Erlebnis“, zieht Gramespacher Bilanz. Das Feedback, das ihn im Nachgang erreichte, verleiht seinen Worten Nachdruck. „Danke für das wundervolle Konzert. Hab richtig abschalten können!“, schrieb etwa Helga Bing, die Gemeindereferentin der katholischen Kirchengemeinde Lörrach. Ihre Kollegin, die evangelische Pfarrerin Gudrun Mauvais, schloss sich dem vorbehaltlos an. „Danke für das wunderbare Konzert und die „Beseelung“ – danke für all den Aufwand davor. Mir hat es sehr, sehr gut getan und mich gestärkt und getröstet.“ Auch eine Familie aus dem Publikum verlieh ihrer Dankbarkeit Ausdruck und schrieb: „Wir möchten Ihnen herzlich danken für das Adventskonzert vom vergangenen Samstag! Uns ist bewusst, dass die Organisation einer solchen Veranstaltung unter den momentanen Umständen ein Kraftakt war. Umso mehr haben wir die wunderbare Musik genossen und Kraft getankt für bevorstehenden trüben Wintermonate.“
Lange hielten das Glück und die Zufriedenheit nach dem Konzert indes nicht an. Die Angst vor Infektionen gewann die Oberhand, führte auf Wunsch des Orchesters auch bei der Stadtmusik zum Aussetzen des Probebetriebs und zur Verschiebung des Jahreskonzerts im Burghof vom 22. Januar auf den 23. April 2022.

Unterdessen wurde nur eine Woche später die Orchestergemeinschaft Seepark für das Festhalten an ihrem Konzerttermin am 12. Dezember mehr als belohnt: Über 200 Besucher, viel Beifall und viele Spenden – trotz Eintritt und 2G plus. Das Fazit von Dirigent Michael Schönstein: „Nicht absagen, einfach machen!“