Wenn man von den besten Hornisten seiner Generation spricht, kommt man an Christoph Ess nicht vorbei. Die Schwierigkeiten des Horns, was ihm beim Horn spielen besonders wichtig ist und wie man es schafft, vier Berufe auf einmal auszuüben, hat er unserer Redakteurin Monika Müller im Interview verraten.

„Warum gibt es keine Open-Air-Hornkonzerte? – Weil Glücksspiel unter freiem Himmel verboten ist!‘ Witze wie diese kennen alle Hornisten in- und auswendig, auch Christoph Ess. Er findet diese aber im Gegensatz zu vielen anderen auch lustig. „Das Horn wird ja nicht umsonst als Glücksspirale bezeichnet“, lacht er. „Da ist immer ein gewisses Risiko dabei. Das nimmt natürlich ab, je besser man sein Instrument versteht und je besser man spielt, aber es hat tatsächlich seine Berechtigung.“ Für ihn ist das Horn ein ganz besonderes Instrument, gerade auch wegen seines Klangs. „Es hat einen sonoren Klang, der sehr nah an der menschlichen Stimme ist.“ Vor allem, wenn man sein Instrument so gut beherrscht wie Eß: Er hat Preise beim Klassik-Festival-Ruhr, dem „1°Concorso Internazionale per Corno di Sannicandro di Bari“, dem ARD-Wettbewerb in München, dem „Richard-Strauss-Wettbewerb“, dem Musikwettbewerb „Prager Frühling“ und anderen Wettbewerben gewonnen. Aktuell ist er Solohornist bei den Bamberger Symphonikern, hat jedoch auch nach einer Professur in Lübeck mittlerweile eine Professorenstelle an der Musikhochschule Würzburg. Sein Instrument liebt er sehr: „Musik ist nur dann schön, wenn sie das Herz berührt. Und das Horn hat mit seinem vollen Klang unendlich viele Möglichkeiten dazu.“ Um die Schönheit der Musik zu erreichen, gebe es beim Horn verschiedene Möglichkeiten und Ansätze, aber einer ist für Ess der wichtigste: „Egal, wie genau man seinen Ansatz handhabt, die Luft ist einer der wichtigsten Komponenten.“

Ein weiterer großer Erfolg der langen Liste ist für Ess sein Hornquartett „german hornsound“. Mit drei Freunden organisiert er hier Konzerte der etwas anderen Art. „Eigentlich war das Ensemble nur eine Idee, damit wir uns öfter treffen und zusammen Musik machen konnten“, erklärt er. Bei ihren Konzerten geht es „german hornsound“ nicht darum, ein klassisches Kammerkonzert zu machen, sondern vielmehr darum, mehr über die Programme zu gehen. Hierfür entwickeln sie eigene Konzepte, für die sie Stücke neu arrangieren, die eigentlich nicht für die Kammermusik konzipiert waren. 2013 beispielsweise, im Jubiläumsjahr von Wagner und Verdi, arrangierten sie die Opernmelodien um. Zwei Jahre brauchten sie für die Vorbereitung. „Das Horn hat bei ihnen eine so wichtige Rolle, dass es sich geradezu angeboten hat“, erinnert sich Ess. „Wir dachten uns: Wenn wir es schaffen wollen, uns zu etablieren, müssen wir mit einem Highlight starten.“ Die Idee funktionierte, sogar wesentlich besser als gedacht: Anstatt fünf Konzerte pro Jahr spielen sie etwa dreißig. Aktuell spielen sie ein Konzert namens „Primetime in der Wolfsschlucht“, das sich mit Carl Maria von Weber und dem ‚Freischütz‘ beschäftigt. Dafür haben sie ihr Konzert programmatisch in drei Teile geteilt, die sie mit eigenen Texten unterfüttern. Diese orientieren sich an Fernsehformaten. „Der erste Teil ist quasi eine Art Tagesschau, in der es um das Geburtsjahr Webers geht. Dann haben wir eine Talkshow, in der Weber der Showmaster ist und mit seinen Gästen über die Romantik diskutiert, und der dritte Teil ist eine Quizshow, in der sich Wagner und Brahms ein Fragenduell über Weber liefern“, berichtet Ess. Im Zentrum der Geschichte steht aber immer der Freischütz – und selbstverständlich das Horn, das bei Weber eine besonders große Rolle spielt.

Auf die Organisation kommt es an

Für sein Hornquartett organisiert Ess liebend gern alles, was getan werden muss – neben seiner Arbeit bei den Bamberger Symphonikern, der Professur in Würzburg und seinen Auftritten als Solist. Außerdem ist er im Leitungsteam des Hornfestivals hornissimo in Staufen und hat eine Familie mit drei Kindern. Der Terminkalender ist also brechend voll. Doch Ess sieht das nicht so schlimm. „Da muss man einfach lange im Voraus planen“, erklärt er und fügt lächelnd hinzu: „Das konnte ich schon immer gut. Alle sagen, das Organisieren ist mir in die Wiege gelegt worden.“ Eine gute Balance ist für ihn wichtig – im Moment nimmt das Unterrichten einen immer größeren Teil ein. Da müsse man bei etwas nicht ganz so Wichtigem einfach etwas kürzertreten.

Das Unterrichten im Rahmen von Meisterkursen und Workshops ist ihm sehr wichtig, egal auf welchem Level die Teilnehmer:innen auch sein mögen. 2019 und 2022 war er beispielsweise bei hornissimo, dem Hornfestival des Bundes Deutscher Blasmusikverbände, als Dozent dabei. Dieses Festival hat ihm schon immer gefallen, seit er vor einigen Jahren kurz nach Beginn der hornissimo-Festivals selbst als Teilnehmer mitgemacht hatte. Der Grund dafür ist nicht nur die Qualität des Festivals, sondern auch der Unterschied zu anderen Festivals, die es in Deutschland gibt. „Unter den vielen Horntagen, die es in Deutschland gibt, ist es etwas Besonderes, weil jedes Alter und jedes musikalische Level miteinbezogen werden“, erklärt er. „Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass alle Bereiche miteinander verknüpft werden, von Amateur bis Profi. Das finde ich sehr positiv.“ Besonders hebt er dabei den Kinderbereich horn4kids hervor, denn er findet, wenn Kinder und Jugendliche schon früh ein Instrument lernen, haben sie mehr Motivation, dabei zu bleiben – auch wenn sie am Ende vielleicht nicht selbst Musik studieren. „Das Wichtigste ist, dass sie Spaß an der Musik und an der Gemeinschaft haben, die man im Orchester, Ensemble oder Musikverein erleben kann“, findet er. „Diese Gemeinschaft ist etwas Wunderschönes.“ In diesem Jahr wird er neben Meisterkursen auch einen Workshop leiten. Sein Thema: Das Warm-up. Obwohl er den Begriff gar nicht so gern hört: „Einspielen oder Warmup klingt immer so nach etwas, das man kurz abhandeln kann“, findet er. „Dabei ist es ja weniger ein Aufwärmen als ein Auseinandersetzen mit den Schwierigkeiten des Instruments. Dafür sollte man sich auch jeden Tag die Zeit nehmen.“ Und da es vielen Menschen nicht ganz so leicht fällt, jeden Tag dieselben Übungen zu spielen, hat er – nach dem Drängen seines Verlegers – ein Übungsheft geschrieben. Darin finden sich Übungen in verschiedenen Schwierigkeitsgraden zu den sieben Elementen, die seiner Meinung nach auf jeden Fall beim Einspielen – oder der Auseinandersetzung – dabei sein sollten. „Die Struktur des Buches hilft vielen“, meint Ess. Und es kommt auch sehr gut an, denn bisher wurden seit der Veröffentlichung im letzten Sommer über 500 Exemplare verkauft. Aber vor allem freut ihn daran, dass so viele Hornist:innen seine Ideen aufgreifen und in ihren Alltag integrieren möchten.

Als Ess letztes Jahr gefragt wurde, ob er nicht Teil des Leitungsteams von hornissimo sein wolle, sagte er sofort zu. 2023, im 25. Jahr seit den ersten Schwarzwälder Horntagen, unterstützt er nun Prof. Peter Arnold zum ersten Mal bei der künstlerischen Leitung. Den Wunsch danach, selbst bei der Leitung von Horntagen dabeizusein, hatte er schon eine ganze Weile, erzählt Ess. „Ich hatte auch überlegt, selbst welche zu gründen. Aber es gibt einfach schon so viele Horntage, daher habe ich davon abgesehen. Bei etwas Bestehendem mitwirken zu können, war für mich perfekt – vor allem, wenn der Spaß am Horn spielen so im Vordergrund steht wie bei hornissimo.“