Man nehme eine große Portion Blasmusik, eine Tasse voller Spaß daran, Neues zu erfinden und einen ordentlichen Schluck Spielfreude. Alles gut umrühren – und fertig ist das Blechbläserensemble Fättes Blech! Die acht Musiker haben die Blasmusik, durch die sie zur Musik gefunden haben, komplett überarbeitet. Anstatt Märsche und Polkas spielen sie nun einen Mix aus Hip Hop, ein paar Pop-Arrangements und eigenen Kompositionen. Eine Entscheidung, die bei ihrem Publikum besonders gut ankommt – egal, wie viele Zuschauer es sind.

Diese Zahl kann nämlich sehr variieren, erzählt Bandleader und Posaunist Andreas Joos: „Wir haben bei Festivals schon vor fünfzehn- bis zwanzigtausend Zuschauern gespielt. Das ist natürlich sehr beeindruckend, wenn diese Menschenmasse vor der Bühne steht.“ Aber auch im kleinen Rahmen treten sie ab und zu auf: Schon vor Corona hat Fättes Blech ein Wohnzimmerkonzert verlost. „Das war eine richtig coole Stimmung. 30 Zuschauer waren da, das war viel direkter. Auf der großen Bühne bekommt man von den Fans ziemlich wenig mit, in dem Wohnzimmer waren wir total nah dran“, erinnert er sich. Für die Band ist es die Abwechslung, die ihre Auftritte immer wieder interessant macht. Denn neben ihren großen Auftritten, bei denen sie auf der Bühne stehen, veranstalten Fättes Blech immer wieder auch „Guerilla-Konzerte“. Dabei geht die Band einfach an einen belebten Ort und spielt dort ihre Songs ohne große Vorankündigung.  Diese Auftritte haben wir schon immer gemacht“, erklärt Joos. „Es kommt aus einer Zeit, wo wir sehr viel geprobt haben. Irgendwann war das doch sehr langweilig, nur für uns zu spielen, und wir beschlossen, unsere Stücke einfach draußen auszuprobieren.“ Das Tolle daran: Die Zuschauer wissen nicht, was sie erwartet – nicht einmal, dass sie überhaupt Zuschauer von etwas sind. „Das Publikum wird da jedes Mal überrumpelt. Und es ist immer spannend, wie die Reaktionen ausfallen. Auf einmal tanzt da der 80-jährige Opa zu Hip Hop“, lacht Joos. „Dieses Echte an den Reaktionen ist richtig schön.“ Das ist auch der Grund, warum  Fättes Blech immer wiedersolche Guerilla-Konzerte starten – auch wenn sie dabei im Schnee spielen. Im letzten Winter standen sie beispielsweise schon auf einer Skipiste. „Das war schon ziemlich kalt“, gibt Joos zu. „Aber es hat trotzdem sehr viel Spaß gemacht.“ Doch nicht nur auf Skipisten und Festivalbühnen spielen Fättes Blech – regelmäßig hört man sie auch im Stadion von Ulm. Denn die Band ist die offizielle Club-Band von ratiopharm ulm, einem Basketball-Bundesligisten. „Ich war schon vorher mehrmals im Stadion“, erzählt Joos und outet sich als Basketballfan. „Der Sport ist so unglaublich schnell, dass man fast nicht mit dem Gucken hinterherkommt und sehr körperbetont. Das finde ich spannender als ein Fußballspiel.“ Eigentlich war der Manager des Basketballteams nur für ein oder zwei Auftritte auf die Band zugekommen. Aber weil die Basketballfans sich sofort für Fättes Blech begeisterten, kam die Idee auf, gleich eine dauerhafte Kooperation einzurichten – so wie es auch in den USA oft ist. Dort haben viele Basketballteams eine eigene Marching Band. „Außerdem hat eine  Brassband eine Verbindung zum Basketball“, fügt Joos hinzu. „Beides kommt von der Straße, beides macht man mit seinen Freunden, und man braucht nicht viel dazu – nur ein Instrument oder eben den Ball und einen Korb.“ Die Atmosphäre im Basketballstadion ist für die Musiker eine ganz andere Erfahrung, als auf der Bühne zu stehen. „Wir laufen in der Halbzeitpause aufs Feld, heizen die Zuschauer ordentlich an, und dann machen wir wieder Platz. Die Fans sind gefühlt weiter weg als bei einem Konzert, damit ist das Konzert indirekter. Aber die Stimmung ist jedes Mal unglaublich gut, und die Zuschauer geben immer 100 % für ihr Team! Das macht wirklich Spaß.“ Und es lohnt sich, nicht nur für Fättes Blech: Bisher haben sie ratiopharm ulm bei jedem Spiel zum Sieg geblasen. Vielleicht sollten sich auch andere Basketballclubs der Bundesliga eine eigene Club-Band besorgen! Vor allem eine so bekannte Band wie Fättes Blech würde keinem Club schaden – immerhin haben sie mittlerweile eine sehr große Fanbase. Man könnte sie fast als Popstars der Blasmusik bezeichnen. „Das kam in den letzten Jahren immer mehr auf, dass gerade Jugendliche Fans werden und uns sogar hinterherreisen“, erzählt Joos. „Für uns ist das eine riesige Ehre.“ Welche Menschen das genau sind, kann Joos auch sagen – selbst wenn das Publikum riesig ist. „Manche Gesichter erkennen wir von der Bühne aus, denn die richtig großen Fans stehen meistens in den ersten Reihen. Da sehen wir immer wieder dieselben Leute.“ Gewöhnt man sich an so etwas? „Nein, das ist absolut nicht selbstverständlich. Es gibt so viele verschiedene Bands, da ist das was Besonderes.“ Bis hierhin dauerte es auch nicht so lange, wie Fättes Blech ursprünglich gedacht haben – denn eigentlich hatte Joos vor rund zehn Jahren nur die Idee, etwas Neues zu gestalten und dafür ein paar Freunde und Bekannte aus den Musikvereinen der Gegend zusammengetrommelt. „Wir wollten etwas machen, das es so noch nicht gibt. Für die erste Probe habe ich ein paar coole Songs für unsere Besetzung arrangiert, und alle waren sofort dabei.“ Ziemlich schnell wurden Fättes Blech nicht nur in ihrer Region, sondern auch in der Blasmusikszene bekannt. „Im Moment sind wir bei etwa 60 Terminen im Jahr, wenn man Auftritte, Proben und so weiter zusammenzählt“, schätzt Joos. Das ist für viele der Musiker eine enorme Belastung, denn nur vier haben die Musik zu ihrem Hauptberuf gemacht. „Die anderen haben zum Glück sehr tolerante Chefs oder sind selbstständig“, erzählt Joos. „Trotzdem wird es oft schwierig, zum Beispiel einen Auftritt unter der Woche zu organisieren. Aber irgendwie klappt es immer.“ Außerdem hat sich die Band die einzelnen Aufgaben gut untereinander aufgeteilt. Für Joos selbst, der Berufsmusiker ist, ist es „ein kleiner Hauptberuf“, gibt er lächelnd zu, im Gegensatz zu anderen Bandmitgliedern. „Die mit normalen Jobs ziehen sich gerade im Organisatorischen etwas zurück. So klappt es sehr gut.“ Einer der großen Auftritte im nächsten Jahr ist für Fättes Blech der Gig beim Internationalen Jugendkapellentreffen (IJKT) im Mai. „Als die Anfrage kam, war für uns sofort klar, dass wir beim IJKT spielen wollen! Ein paar von uns waren selbst schon vor Jahren als Teilnehmer dabei. Als Jugendlicher war das immer total spannend, weil so coole Bands gespielt haben. Und wenn man als junger Typ andere Musik hört und sich denkt: ,Das will ich auch machen‛, ist das eine extreme Motivation, jeden Tag zu üben.“ Ein weiterer Punkt, der Fättes Blech am IJKT fasziniert: die unzähligen Möglichkeiten, die sich dadurch  ergeben. „Gerade auf solchen Treffen können wir dafür sorgen, dass endlich die Klischees verschwinden und dass sich mehr gute Leute damit auseinandersetzen, was man mit Blasinstrumenten alles machen kann“, betont Joos. „Wir können den Jugendlichen zeigen, dass Blasmusik cool sein kann“.

Monika Müller